Erste Hilfe am Unfallort: Niemand darf sich davor drücken
26. Oktober 2010 | 19:33 Uhr | Von hn
Christian Wehr Foto: hn
Eine junge Frau kam frühmorgens mit ihrem Wagen von der Fahrbahn ab und prallte gegen einen Baum. Obwohl die Unfallstelle direkt neben der Bundesstraße 5 lag, hielt über mehrere Minuten kein einziger der zahlreichen Autofahrer an, um Erste Hilfe zu leisten. Der Vorfall vom 21. Oktober macht Christian Wehr, Leiter des Rettungsdienstes des Kreises Nordfriesland, immer noch fassungslos: "Jeder von uns kann in so eine Situation kommen und hofft dann, dass ihm seine Mitmenschen schnellstmöglich helfen. Aber kein Autofahrer hat sich gekümmert oder auch nur 112 angerufen."
Einen Notruf absetzen ist das Mindeste
Die Verpflichtung zur Hilfe ist gesetzlich geregelt. Unterlassene Hilfeleistung kann mit Freiheitsstrafen bis zu einem Jahr geahndet werden. "Der Gesetzgeber verlangt nicht, dass Passanten sich in ein Fahrzeugwrack zwängen und sich selbst in Gefahr bringen. Aber anzuhalten, die Unfallstelle abzusichern und schnellstmöglich einen Notruf über 112 abzusetzen, ist das Mindeste, was man erwarten kann", betont Wehr.
Gesetzlich und moralisch verpflichtet
Wenn anschließend noch Erste Hilfe geleistet werde, entscheide dies oftmals über Leben und Tod. Im aktuellen Fall wäre die junge Frau nach Wehrs Einschätzung zwar auch dann nicht zu retten gewesen. "Aber das weiß man ja vorher nicht. Wir alle unterliegen einer gesetzlichen und moralischen Verpflichtung zur Hilfeleistung, und es gibt keine Entschuldigung, sich davor zu drücken", sagt er. Christian Wehr weist darauf hin, dass die Hilfsorganisationen in Nordfriesland regelmäßig zu sehr günstigen Konditionen Erste-Hilfe-Kurse anbieten - auch für Gruppen und Vereine.
Nur zögerlich kamen weitere Helfer
Nach dem Unfall an der B 5 stoppte erst ein Rettungsassistent, der auf dem Weg zu seiner Arbeitsstelle in der Niebüller Rettungswache war. Er sicherte die Unfallstelle und begab sich zu dem zerstörten Fahrzeug. Unterstützt wurde er wenige Augenblicke später durch eine Kollegin, die ebenfalls zum Dienst unterwegs war. Sofort meldeten die beiden den Unfall über Telefon 112 bei der Rettungsleitstelle in Harrislee. Von dort aus wurden Rettungswagen, Notarzt und Feuerwehr alarmiert. Während der medizinischen Erstversorgung durch die beiden Fachleute kamen zögerlich weitere Helfer hinzu; so leuchtete ein Lkw-Fahrer das Fahrzeugwrack aus. Die junge Frau starb schließlich im Rettungswagen auf dem Weg in das Niebüller Krankenhaus. |